Projekt Sauerteig, Teil 2 – Sauerteig selber ansetzen

Im zweiten Teil des Sauerteig-Projekts geht’s jetzt um die Praxis! Hier erfahrt ihr, wie ihr selber Sauerteig herstellen könnt, dass es gar nicht so kompliziert ist und was ihr dazu benötigt. Die Theorie dazu, also was Sauerteig genau ist, aus was er besteht und was er beim Brot backen bewirkt, findet ihr im →ersten Teil.

Im Prinzip ist es sehr einfach, einen eigenen Sauerteig anzusetzen. Man vermischt lediglich Mehl mit Wasser, lässt das Ganze an einem warmen Ort stehen, gibt jeden Tag neues Mehl und Wasser hinzu und nach 5 Tagen kann der Sauerteig verwendet werden. Während dieser Zeit vermehren sich die Mikroorganismen, die natürlicherweise auf den Getreidekörnen leben und es bildet sich im Idealfall eine stabile Mikroflora aus erwünschten Milchsäurebakterien und Hefen, welche den Brotteig säuern und ihm Triebkraft verleihen.
Setzt man einen frischen Sauerteig an, kann man genau beobachten, wie sich das Mehl-Wasser-Gemisch im Laufe der Tage verändert. Der Teig geht auf, fällt wieder zusammen, wirft Blasen, verflüssigt sich und verändert seinen Geruch. Wie gesagt, ein faszinierendes Wesen so ein Sauerteig!

Beim Ansetzen von frischem Sauerteig geht es ja darum, eine stabile Kultur von verschiedenen Mikroorganismen zu züchten. Diese soll einerseits dem Sauerteig die erwünschten Eigenschaften verleihen und anderseits unerwünschten Keimen, wie zum Beispiel Schimmelpilzen, keinen Platz zum Leben lassen. Um diesen Vorgang zu beschleunigen und den Sauerteigansatz „gelingsicher“ zu machen, werden in einigen Anleitungen neben Mehl und Wasser noch weitere Zutaten empfohlen. Angefangen bei Joghurt, über Buttermilch, bis hin zu Kümmel, Honig oder der Rat, den Ansatz über mehrere Stunden unabgedeckt an der Luft stehen zu lassen, damit sich Organismen aus der Umgebungsluft darauf ansiedeln.
Andere Quellen (wie der →Plötzblog, an dessen Anleitung ich mich bei meinem Ansatz orientiert habe) empfehlen, auf die im Mehl vorkommenden Mikroorganismen zu vertrauen, also den Sauerteig lediglich mit Roggen- oder Weizenmehl und Wasser anzusetzen und den Teig abgedeckt fermentieren zu lassen. Diese Variante klingt für mich irgendwie plausibler und „natürlicher“, vor allem glaube ich auch nicht, dass sich in der Münchner Stadtluft besonders viele nützliche Keime tummeln…
Um zu vermeiden, dass sich zu viele fremde Keime in meinem frisch angesetzten Sauerteig breit machen, habe ich sämtliche Utensilien, wie Schneebesen, Schüsseln, etc. vor Gebrauch mit kochendem Wasser überbrüht. Aber Vorsicht, denn einige Küchengerätschaften halten der großen Hitze nicht stand, was zu üblen Verletzungen und Verbrühungen führen kann – in der Regel sollte heißes Wasser aus dem Hahn vollkommen ausreichen. Die Gegenstände danach an der Luft trocknen und abkühlen lassen. Alle Utensilien müssen zudem frei von Spülmittelresten sein, auch das könnte die Entwicklung einer gesunden Sauerteigkultur stören.

Da Sauerteig für Roggenbrote unabdingbar ist und er sich anscheinend auf Basis von Roggenmehl leichter züchten lässt, ist Roggensauerteig der typische Vertreter. Wenn ein anderer Sauerteig benötigt wird, kann er umgezüchtet werden indem beim Auffrischen anstatt Roggenmehl jetzt Weizenmehl, Dinkelmehl – oder was auch immer für ein Sauerteig gewünscht ist – verwendet wird. Man kann den Sauerteig aber auch direkt mit dem Getreide seiner Wahl ansetzen. Da ich davon ausgehe, dass auf verschiedenen Getreidekörnern auch verschiedene Mikroorganismen leben und diese sich schließlich auch im Sauerteig bemerkbar machen, halte ich als Laie den zweiten Weg für spannender.
Ich habe gleichzeitig einen Weizen- und einen Roggensauerteig angesetzt, um nicht zweimal 5 Tage damit beschäftigt zu sein. Prinzipiell nicht unpraktisch, die Rechnung ging nur leider nicht auf. Der Roggensauerteig gelang beim ersten Versuch, für den Weizensauerteig waren drei Durchgänge mit Mehlen aus verschiedenen Mühlen nötig.

Um einen eigenen Sauerteig anzusetzen werden nicht viele Utensilien benötigt:

  • 1 große Schüssel, am besten aus Edelstahl oder Glas. Mir persönlich gefällt Glas etwas besser. Eine Glasschüssel reagiert nicht ganz so direkt auf Temperaturschwankungen und man sieht die Veränderungen im Inneren des Sauerteigs. Die Schüssel muss groß genug sein, um insgesamt 500 g Mehl, 500 g Wasser plus den Volumenzuwachs während der Fermentation zu fassen.
  • stabiler Schneebesen
  • Teigschaber
  • Waage
  • Frischhaltefolie
  • Thermometer (ideal sind ein Steakthermometer und ein Ofenthermometer)

 

Die Zutaten sind ebenfalls recht leicht zu bekommen:

  • 500 g Mehl (Roggenmehl Type 1370 oder Weizenmehl Type 1050 – am besten Bio)
  • 500 g Wasser

Das verwendete Mehl ist – neben ein wenig Glück und Geduld – ein entscheidender Faktor für das Gelingen eures Sauerteigs. Wenn es nicht beim ersten Versuch klappt, kauft ein neues Mehl von einem anderen Hersteller, idealerweise direkt von der Mühle, und probiert es noch einmal von vorne.
Die gesamte Herstellung des Sauerteigs dauert 5 Tage, wobei er alle 12 Stunden gerührt bzw. gefüttert werden will und man zudem immer ein Auge auf die Temperatur haben sollte. Aber der Aufwand lohnt sich, denn wenn man einmal eine stabile Sauerteigkultur hat, kann man sie über Jahre für selbstgebackenes Brot nutzen!

Bewährtes Zubehör zum Brotbacken Zuhause findest Du auf locavore.euAm ersten Tag wird 100 g des jeweiligen Mehls mit 100 g Wasser ordentlich verrührt. Das Wasser sollte dabei ungefähr eine Temperatur von 30°C haben. Wie im ersten Teil erwähnt ist diese Temperatur ideal für die Entwicklung der begehrten homofermentativen Milchsäurebakterien und der Hefen. Auch die perfekte Umgebungstemperatur liegt bei 30°C. Diese lässt sich ganz gut im Ofen durch gelegentliches Einschalten der Ofenlampe steuern. Viel wärmer sollte weder die Wasser- noch die Außentemperatur sein, da die erwünschten Mikroorganismen sonst schnell absterben.
Mit Weizenmehl angesetzt ist die Masse relativ dünnflüssig, der Roggenteig ist deutlich fester. Mithilfe des Teigschabers die Schüsselwand säubern, damit sich keine abgetrockneten Ränder bilden und die Schüssel mit Frischhaltefolie gut abdecken. Wer hat, steckt nun ein Steakthermometer in den Teig, so kann – zusammen mit einem Ofenthermometer im Backofen – die Temperatur ausreichend gut überwacht und bei Bedarf angepasst werden. Die Schüssel in den Backofen stellen und 12 Stunden ruhen lassen, anschließend mit dem sauberen Schneebesen kräftig durchrühren und Luft hinein schlagen. Die Wände wieder mit dem Teigschaber reinigen, die Schüssel mit Frischhaltefolie abdecken, das Thermometer hineinstecken und den Ansatz im Ofen weiter fermentieren lassen.
In der Regel ist bereits nach 12 Stunden schon eine erste, leichte Veränderung beim Geruch und der Konsistenz bemerkbar. Da sich bei diesen angenehmen Temperaturen die Mikroorganismen fleißig vermehren, brauchen sie nach weiteren 12 Stunden frische Nahrung, d.h. man gibt zu dem Ansatz weitere 100 g Mehl und 100 g warmes Wasser hinzu. Nach 12 Stunden wieder kräftig rühren, 12 Stunden später wieder füttern und so weiter, bis das gesamte Mehl und Wasser im Sauerteigansatz verarbeitet ist, dann nochmal einen halben Tag stehen lassen.

Hier nochmal der Ablaufplan als Übersicht:
Montag 8:00h – Ansetzten des Sauerteigs mit 100 g Mehl und 100 g Wasser
Montag 20:00h – mit dem Schneebesen kräftig durchrühren
Dienstag 8:00h – mit 100 g Mehl und 100 g Wasser füttern
Dienstag 20:00h – mit dem Schneebesen kräftig durchrühren
Mittwoch 8:00h – mit 100 g Mehl und 100 g Wasser füttern
Mittwoch 20:00h – mit dem Schneebesen kräftig durchrühren
Donnerstag 8:00h – mit 100 g Mehl und 100 g Wasser füttern
Donnerstag 20:00h – mit dem Schneebesen kräftig durchrühren
Freitag 8:00h – mit 100 g Mehl und 100 g Wasser füttern
Freitag 20:00h – mit dem Schneebesen kräftig durchrühren
Samstag 8:00h – der Sauerteig ist fertig und kann für ein erstes Brot verwendet werden

Im Laufe dieser 120 Stunden verändert sich das Mehl-Wasser-Gemisch deutlich. Der Teig wird flüssiger, entwickelt einen säuerlichen Geruch (teilweise auch recht unangenehm), es bilden sich Blasen und er verdoppelt zeitweise sein Volumen. Bei mir war er am 2. Tag immer sehr aktiv, danach waren kaum mehr Bläschen oder ein größeres Volumen zu erkennen, was aber – nach einem ersten Schock – nicht den Tod des Sauerteigs bedeutet hat. Während der 5-tägigen Fermentation kann es auch vorkommen, dass der Teig sehr unangenehm riecht. Am Ende sollte er aber angenehm säuerlich-aromatisch riechen (meine haben was von Banane, Buttermilch und Weißbier) und keinesfalls abstoßend oder beißend, dann ist nämlich irgendetwas schief gelaufen und der Teig muss entsorgt werden. Auch wenn man Schimmel entdecken kann, oder sich die Farbe deutlich verändert, ist es das Aus für den Sauerteig. Das heißt Schüssel, Schneebesen, etc. gründlich reinigen und die Arbeit beginnt von vorne. Solltet ihr euch nicht sicher sein, ob euer Sauerteig was geworden ist, geht lieber auf Nummer sicher und fragt jemanden, der sich damit auskennt oder startet direkt einen neuen Versuch.
Besonders spannend bei so einem neuen Sauerteig-Ansatz finde ich zu sehen wie stark sich das Wasser-Mehl-Gemisch innerhalb der 5 Tage verändert. Nacheinander vermehren sich verschiedene Mikroorganismen, verändern den Teig, seine Konsistenz, seinen Geruch, die Farbe und das Volumen. Am Schluss haben sich dann hoffentlich die erwünschten Helfer durchgesetzt und bilden eine stabile Kultur.

Wenn euer Sauerteig-Projekt geglückt ist, könnt ihr ihn am 5. Tag für ein erstes, selbstgebackenes Sauerteigbrot verwenden. Ein so junger Sauerteig hat allerdings noch nicht genug Triebkraft, daher müsst ihr ihn mit ein wenig Hefe unterstützen. Mit jedem mal Auffrischen wird der Sauerteig dann triebstärker und stabiler. Regelmäßiges Auffrischen ist auch gleichzeitig die Methode der Wahl, um immer Anstellgut für den nächsten Backtag parat zu haben, d.h. man kann sich dann die Züchtung eines neuen Sauerteiges sparen.

Wie ihr euren selber gezüchteten Sauerteig am Leben haltet, aufbewahrt und konserviert erfahrt ihr im → dritten Teil vom Sauerteig-Projekt hier auf Culinary Farm.
Die theoretischen Grundlagen findet ihr im → ersten Teil.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert